Trauerfilzen zum Totensonntag

Am Totensonntag war ein besonderes Filzen in meiner Werkstatt.

Der angebotene Filzkurs „Trauerfilzen“ konnte ja leider nicht stattfinden. So filzten wir im ganz kleinen privaten Kreis. Irisa und mein Partner Thomas haben wunderbare Bilder entstehen lassen in Gedenken an ihre Mütter. Ihre eigenen Gedanken dazu haben Sie in den folgenden Texten für Sie und auch für sich selbst aufgeschrieben. Für mich und auch meine beiden „Kursteilnehmer“ waren es besondere Stunden. Meine Gedanken an meine Mutter werde ich auch in der nächsten, ruhigeren Zeit in einem Filzunikat verarbeiten.

Gedanken zum Trauerfilzen von Thomas – „Dialog mit meiner Mutter“

Vor dem Filzen: Carola zeigt uns in der Werkstatt das Material, die Wolle in verschiedenen Farben, Wasser, Seife, Folien.

Irisa bringt uns in Gedanken und Fühlen zu Trauern. Ein Satz kommt mir in den Sinn, ich spreche ihn aus: ich brauche von den Ahnen keine Anerkennung, ich habe sie im Rücken zur Unterstützung.

Ich weiss nicht, ob es ein Kissen, eine Unterlage oder ein Bild werden soll. Ich weiss gar nichts, ausser: weder ein Gebrauchsgegenstand noch eine nachahmende Abbildung kommen infrage. Die ersten Impulse sind Farben. Der Übergang von blau zu grün. Ich wähle eine Unterlage. Petrol (blaugrün). Meine Lieblingsfarbe ist blau. Die Farbe der Unendlichkeit. Ich lege eine Welle in einem sehr hellen Grün, dann eine in einem sehr dunklen Blau. Jetzt kommt der Satz: „Dialog mit meiner Mutter“. Die Farbe grün. Mitgefühl. Ihre Verlorenheit. Vor (meinen) überwältigenden Gefühlen hatte sie Angst, sie verachtete sie. Ich spüre, dass eine kraftvolle Kontrastfarbe hinzukommen muss. Rot ist die Farbe der Kraft und des Muts. Meine Mutter konnte sich nicht ihre Freiheit, ihre Autonomie holen. Das ist ihr Schicksal, die Wahrheit ihres Lebens. Rote Tupfer, immer sparsamer werdend. Die Wellenlinien lasse ich ausfransen. Die Trauer hat etwas Heiteres. Ich stelle so etwas wie ein Rakelbild mit Übergängen her. Die streichenden Filzbewegungen tun dem Dupuytren (Verwachsungen) in meinen Handinnenflächen gut. Frieden, kein Groll.

Carola zeigt uns die Technik, die richtige Wassertemperatur, der Einsatz von Seife, das angemessene Streichen der Hände, das Schlagen und Auswringen. Sie versorgt mich mit dem, was mir fehlt und das ich brauche, Handwerkskunst, viel Feingefühl. Ein leckeres Essen zur Stärkung gehört auch dazu. 

Nachher: Wir schauen uns unsere Werke in allen möglichen Ausrichtungen an. Ich empfinde Zufriedenheit und Stolz.

Trauer und Freude zugleich wirken nach. Wir führen ein Gespräch über Erfahrungen, wie die Trauer sogar in Fröhlichkeit und Komisches umschlagen kann.

Ich bin Carola und Irisa sehr dankbar für diese Gelegenheit. Ich habe die Erfahrung kreativ zu sein – sie ist für mich sehr neu – mit lösendem Trauern verbinden können.

Gedanken zum Trauerfilzen von Irisa

Als Trauer Rednerin war es eigentlich meine die Idee, mit Carola gemeinsam Angehörige zu begleiten an diesem Tag durch filzen, reden dürfen, verarbeiten zu können.

Corona ließ diese schöne Idee so nicht stattfinden….

Mein Vorhaben, Filzstulpen im Andenken an meine Mutti zu fertigen, wechselte. Ich fand mich in der Idee gut aufgehoben, ein Ahnenkissen zu filzen, so dass meine Ahnen mir im Rücken wären….

Gedacht getan: Carola führte uns wunderbar in die Technik des Filzens ein ( beide waren wir Neulinge auf diesem Gebiet), ließ uns Raum eigene Ideen und Verfahren zu wählen und auszuprobieren.

Ihre Filzwerkstatt war geräumig, lichtdurchflutet und wohlig warm, vollgefüllt mit farbenfroher Wolle. Die Ausstellung ihrer zarten, unterschiedlichen Filzwerke hoben die gemütliche Atmosphäre darin.

Wir nässten, seiften, verrieben, formten, klopften. walkten die Wolle in verschiedene Farben mit gegenseitiger Bewunderung. In meinem Kissen entstand unverhofft ein Bild, in dem jeder von uns etwas Anderes und auch Gemeinsames sah. Das Unbestrittene war ein Engel…

Wir erzählten uns ehrlich unsere Abschiedsgeschichten, die eigenen Blickwinkel veränderten sich im Schmerz des Anderen. Jeder durfte genauso sein wie er war, konnte tun was er mochte und im ganz eigenen Tempo wirken. Die Arbeit wurde aber auch zu einer kindlichen Freude.

Es entsteht Bewunderung für das Können eines Anderen, wenn man selbst die Wege des Filzens nachvollzieht. Carolas Produkte sieht man mit völlig anderen Augen. Ausdauer, Liebe, Hingabe und Kreativität erfordert ein Objekt aus ihrer Hand. Und ehrlich, den eigentlichen Preis dieser Arbeit kann man gar nicht wirklich bemessen. Den ahnt man erst beim Selbertun.

Aber mutmachend kann ich sagen, dass auch einiges, ganz Kindliches entsteht und letztlich seine eigene Geschichte erzählt und zu erählen beginnt.

Ein wunderbares Mittagsmahl zur Pause vollendete den Tag. Eine großartige gemeinsame Erfahrung an diesem besonderen Novemberdatum.

Das wiederholen wir gemeinsam nun für Angehörige zu Jederzeit im Jahr! Rufen Sie an. Nur Mut!

Irisa die Fährfrau

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